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(Philipp Spengler)

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(Mitangeklagte)

Anhang:

Philipp Spengler: Flugblatt "Die Wahrheit"

Bundesarchiv Berlin: Z-C_13097 Band 3

Blatt: 6

Beschlagnahmtes Flugblatt I.

Abschrift Flugblatt "Die Wahrheit"

Ce tract est destiné aux ouvriers et Soldat allemande; distribuez-le pari eux Patrons les moyans et avec la prudence necessaire.

DIE WAHRHEIT

Nachrichten für deutsche und österreichische Soldaten, Dezember 1942

DEM FRIEDEN ZU!

Wenn heute ein PK. Berichterstatter wahrheitsgetreu die Stimmung der deutschen Soldaten in Belgien schildern wollte, müsste er schreiben, "Überall stehen Kameraden in Gruppen zusammen, diskutieren, gestikulieren, kommt einer dazu, überfällt man ihn: Weißt du Neues?

Es geht vorwärts lautet die Antwort, in Afrika ist Rommel noch weiter zurückgeschlagen. Im Osten sind die Russen noch weiter vormarschiert. Unsere Truppen sind in Stalingrad eingekreist, einige Deutsche und (unleserlich) Regimenter haben sich ergeben. Da leuchten die Gesichter, da reiben sich die Kameraden vor Freude de Hände. Nur so weiter, bald wird der verdammte Krieg zu Ende sein.

NICHT FUER HITLER STERBEN, FUER DEUTSCHLAND LEBEN, DAS IST DEUTSCHE SOLDATENPFLICHT. ERKÄMPFT DEN RÜCKMARSCH IN DIE HEIMAT BILDET SOLDATENKOMITEES

Ja, ja, die Zeiten haben sich geändert. Früher belog uns Hitler: Noch eine Offensive, dann haben wir den Sieg, dann gibt es Frieden. Und es gab viele Kameraden, die es glaubten.

heute aber ist das vorbei, heute weiß jeder schon:

JEDE NIEDERLAGE IST EIN SCHRITT ZUM FRIEDEN. HITLERS NIEDERLAGEN SIND DIE (unleserlich) DES ZUKÜNFTIGEN DEUTSCHLAND.

Hitlers Zusammenbruch (unleserlich) die Freiheit (unleserlich) ist kein Zukunftstraum mehr. Im Osten wie im Süden wird in Flammenschrift Hitlers Urteil verkündet.

Die Sowjetunion hat kein Interesse, Deutschland zu vernichten aber das Hitlersystem kann und muss man vernichten, aber die Hitler Armee kann und muss man vernichten.

Die faschistische neue Ordnung Europas versklavt und unterdrückt alle Völker Europas. Die 'Neuordnung' und ihre Anstifter muss man vernichten.

Dies sind nach den Worten Stalins am 7. November die zwei Ziele, wofür die rote Armee kämpft. Die Arbeiter und Bauern der Sowjetunion kämpfen nicht gegen das Deutsche Volk. Sie verteidigen ihr Land gegen Hitler und die deutschen Plutokraten schicken uns für ihre Weltherrschaftspläne und für ihre Kriegsprofite in den Tod.

Die Rote Armee aber garantiert uns das Leben, wenn wir uns ergeben. Die Rote Armee garantiert uns

Deutschlands Freiheit, wenn wir Hitler gestürzt und uns selbst befreit haben. Die Rote Armee und ihre Alliierten helfen uns, Hitler zu stürzen. Es sind unsere Freunde, unsere Verbündeten.

Das erkennen auch unser Kameraden an der Ostfront, daher die riesige Zahl der Gefangenen. Bei Kaletsch (?) ergab sich ein ganzes Artillerieregiment, samt den Offizieren. Bei Kletzkajre ließen sich drei Divisionen mit drei Generälen und Stäben gefangen nehmen.

Wir haben alle genug vom Krieg und unsere Kameraden an der Ostfront gehen den richtigen Weg zum Frieden, sich nicht länger auf die Schlachtbank schicken lassen. Sie wollen nicht weiter für Hitler bluten.

Was aber tun wir?

Wir müssen Schluss machen. Wir dürfen nicht länger Henker und Unterdrücker des belgischen Volkes sein! Die Belgier sind unsere Brüder. Sie wollen dasselbe wie wir: sich von Hitler befreien.

Organisiert Euch zum Kampf für den Frieden, für den Rückmarsch in die Heimat. Bildet Soldatenkomitees! Verbreitet unsere Zeitung, unsere Flugblätter! Demonstriert, indem ihr auf alle Wände und Türen den glühenden Wunsch aller Soldaten schreibt, die Losung, die uns im Kampf vereint:

Wir wollen Heim! Wir wollen Frieden. Nieder mit dem Krieg! Nieder mit Hitler!

(Seite II)

Die Heimat kämpft gegen den Krieg. Langsamer arbeiten, krank feiern. Das ist die Parole in vielen Gegenden Deutschlands. Ein Ruhrarbeiter berichtet, dass in seiner Heimat 'krankfeiern' eine wirkliche Massenerscheinung ist. Hauptgründe sind echte oder vorgetäuschte Magenbeschwerden. Tatsächlich ist ja auch das schlechte Brot häufig Ursache von solchen Krankheiten. Es ist den Nazibetriebsführern unmöglich, dagegen anzugehen.

Sie haben versucht, Betriebsärzte anzustellen. Aber die überarbeiteten Ärzte konnten bei ihrem Besuch in den Betrieben dem Massenandrang nicht standhalten. Man kam also von den Betriebsärzten wieder ab und die Arbeiter suchen nun wieder den Kassenarzt in seiner Sprechstunde auf. Diese Sprechstunden sind aber nun auch so überlaufen, dass mindestens ein halber, häufig aber Ani ganzer Arbeitstag verloren geht.

STREU UND KLEBEZETTEL IN HANNOVER

In letzter Zeit sind fast täglich ganze Straßenzüge Hannovers mit Streuzetteln belegt oder die Mauern und Straßen bemalt, oder Litfaßsäulen und Wegweiser mit Zetteln überklebt.

Nieder mit Hitler!

Hitler ist der Kriegsschuldige, der Millionen Deutsche auf dem Gewissen hat!

Die Deutschen Plutokraten bereichern sich, ihre Aktien steigen, aber unsere Soldaten fallen!

Alle vereint gegen Hitler!

Das sind die Hauptparolen.

HITLER KRIEGSMASCHINE WIRD SABOTIERT

 

Top der Seite Landesarchiv Düsseldorf: RW 58-24532


Blatt 95-97

Aussage Otto Spengler zur Hausdurchsuchung

... mir wird bei der Polizei ein Flugblatt, betitelt "DIE WAHRHEIT: Nachrichten für Deutsche und Österreichische Soldaten, Dezember 1942" vorgezeigt und es wird mir eröffnet, dass dieses Flugblatt heute Morgen, gelegentlich einer polizeilichen Durchsuchung in der Wohnung meiner Eltern, der Eheleute Philipp Spengler, wohnhaft in Düsseldorf, Beethovenstrasse 25,in einer Waschtischschublade des Schlafzimmers vorgefunden worden sei. Das Flugblatt, so wurde mir mitgeteilt, befand sich in einem Buch, betitelt "Zellwolle siegt“. In dem gleichen Buch wurde auch ein Dienstplan für das Wachtachtkommando beim Gen.Kdo.LXVII Res.Kmp. vom 7.1.43 vorgefunden. Hierzu habe ich wie folgt zu erklären:

Von Juni 1942 bis Februar 1943 lag ich mit meinem Truppenteil in Namur (Belgien). In dieser Zeit hatte ich etwa 3 oder 4 mal Dienst bei einer vorgenommenen Razzia auf Flugblattverteiler. Die Razzien wurden von der Kompanie angeordnet. Es handelte sich darum, die Verteiler der Flugschriften, die mittels Motorräder die Flugblätter während der Fahrt abwarfen, zu ergreifen. Meines Wissens wurde von Angehörigen unserer Kompanie keiner der Verteiler festgenommen, jedoch ist mir bekannt, dass solche durch die Feldgendarmerie festgenommen wurden. Bei einer der von meiner Kompanie angesetzten Razzia hatte ich die Führung und meine Männer mussten die von den Flugblattverteilern weggeworfenen Flugblätter aufsammeln. Diese wurden später an mich abgegeben und von mir anschließend an das Kompaniegeschäftszimmer abgegeben. Wo diese dann später hingenommen sind, kann ich nicht angeben. Bei der Instruktion wurde erwähnt, dass die Flugschriften vernichtet würden.

Wenn ich nun gefragt werde, wie das bei meinen Eltern gefundene Flugblatt dorthin gekommen ist, so habe ich hierzu folgendes zu sagen:

Wie ich schon angab, hatte ich bei einer der Razzien die Führung. Ich selbst beteiligte mich an der Razzia nicht immer, sondern musste auf der Wache bleiben. Da ich während der Wache viel gelesen habe nehme ich an, dass ich das Flugblatt, das ich auch gelesen habe, achtlos in das vor mir liegende Buch "Zellwolle siegt" hineingelegt habe und später vergessen habe, dasselbe wieder herauszunehmen. Wie es möglich ist, dass das Flugblatt, das als Ausgabedatum Dezember 1942 trägt, mit dem Dienstplan vom 7.1.1943 zusammengefaltet in dem Buch vorgefunden wurde, ist mir nicht erklärlich.

Ob einer meiner Burschen, die Zugang zu meinen Sachen hatten, in dem Buch gelesen und später die Flugschrift mit dem Dienstplan zusammengefaltet in das Buch zurückgelegt hat, ist möglich, jedoch habe ich hierfür keinerlei Anhaltspunkte oder Beweise. Die Möglichkeit besteht allerdings. Ich kann mich nicht entsinnen, das Flugblatt, nachdem ich es gelesen, nochmals gesehen zu haben.

Ich muss auch in dem Buch seit der Zeit, wo ich es auf Wache gelesen, nicht mehr gelesen haben, denn sonst hätte mir ja das zusammengefaltete Flugblatt unbedingt auffallen müssen. Im Februar oder März 1943 kam ich zum Ersatztruppenteil nach Düsseldorf und brachte bei dieser Gelegenheit meine ganzen Privatsachen zu meinen Eltern. Unter anderem packte ich auch das Buch in die untere Schieblade des Waschtisches, die für mich reserviert ist und wo es von der Polizei gefunden wurde.

Ich muss ganz entschieden bestreiten, dass ich das Flugblatt irgend einer dritten Person gezeigt hätte. Auch habe ich es weder meinem Vater noch sonst jemanden zum Lesen gegeben. Ich wusste, wie gesagt, von dem Vorhandensein des Flugblattes nichts mehr.

Ich muss zugeben, dass mir bekannt war, dass Flugblätter dieser Art den Vorgesetzten abzuliefern sind, Wenn ich gefragt Werde, aus welchem Grunde ich dieses Flugblatt zurückbehalten und nicht abgeliefert habe, so muss ich erwidern, dass ich mir nicht bewusst bin dasselbe zurückbehalten zu haben, sondern nur wieder angeben kann, dass dieses auf eine mir unerklärliche Weise in das Buch gekommen und dort bis zu Auffindung verblieben ist.

Weitere Angaben vermag ich nicht zu machen.